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Die Propaganda des Vittorio C.

Von Markus Gickler


Der ehrenwerte Vittorio Cirini hat in der Jubiläumsausgabe der Canoing International (3/1999,S.42-43) einen bemerkenswerten Artikel geschrieben. Bemerkenswert, weil er ohne jegliches Schamgefühl die Plattform des ICF Magazin nutzt, um sich als Experte in Sachen Sportvermarktung, Wasserrettung und Bootsbau darzustellen. Dabei zeigen seine dort publizierten Äusserungen deutlich, dass er kein Experte in diesen Gebieten ist. Er ist nur ein Experte im dreisten Durchsetzen seiner persönlichen Vorstellungen. Dabei hält sich Cerini nicht lange mit Fakten auf. Er stellt Behauptungen auf, die er gar nicht belegen kann, weil sie schlicht unwahr sind. Oder er argumentiert rein spekulativ, mit Behauptungen die von niemandem verifizierbar sind. Für einen Mann in seiner Position ist das nicht einfach nur unseriös, das ist eine übele Form der Stimmungsmache.

Der Artikel beginnt mit der Behauptung, dass alle kompetenten Personen wüssten, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Länge einer Wettkampfstrecke und den Kosten des Veranstalters besteht. Dabei bleibt Cirini den Beweis schuldig. Haben wir es uns als eine liniare oder eine exponentielle Verteuerung pro Sekunde Streckenverlängerung vorzustellen? Anscheinend bin ich nicht kompetent genug, weil ich bisher immer dachte, die Kosten wären von anderen Faktoren abhängig. Weiter geht es mit der traurigen Feststellung, dass die Wasserrettung sehr oft in Verunreinigungen des Flusses steht (was immer das bedeuten mag) oder im dichten Gehölz (Wald) stehen muss. Und diese Punkte sind laut Cirini für jeden extrem schwierig zu erreichen. Das ist natürlich ein unzumutbarer und vor allem ein teurer Sachzwang, der gegen lange Rennstrecken spricht. Den wir verständnisvoll akzeptieren. Schliesslich versaut man sich in dem ganzen Schlamm und Dreck die schönen Schuhe von Guchi. Mit weniger Humor betrachtet, muss man leider feststellen, dass Cirini einen kleinen Lehrgang in Wasserrettung besuchen sollte, bevor er sich und seinen selbsternannten Expertenstatus erneut öffentlich demontiert. Ein schwimmender Retter am Seil, der am Ufer positioniert ist, hat einen entscheidenden Nachteil. Seine Reichweite und seine Geschwindigkeit ist begrenzt. Eine kombinierte Rettung von einem Retter im Kajak und mindestens zwei Personen an Land ist wesentlich effektiver. Das Erreichen einer Rettungsposition an der Rennstrecke ist mit Kajaks ist für das Rettungsteam sehr einfach. Damit können wir den ersten Teil des Artikels getrost als Wortblase betrachten.

Die weiteren Äusserungen von Cirini suggerieren Aussenstehenden weiter, er würde von harten Fakten sprechen. Ein Insider unseres Sports kann sich nur wundern. Cirini macht den Hauptgrund für das geringe Medien- und Zuschauerinteresse in den langen Wettkampfstercken aus. Fakt ist, dass wir seit sechs Jahren im Weltcup Sprintrennen austragen. Nach Cirinis Argumentation müsste die Akzeptanz unserer Sportart gestiegen sein. Können wir das feststellen? Cirinis Behauptung, dass unmittelbar mit der Einführung des Sprints fast alle nationallen TV Sender Live Übertragungen gesendet haben, ist unwahr. Wieder kann Cirini diese Behauptung nicht belegen. Die meisten Sprintrennen seit 1993 wurden eben nicht Live von den nationallen TV Sendern des Ausrichterlandes übertragen. Und das, obwohl von Sprintbefürwortern nichts unversucht blieb, um das Medieninteresse vom Classic Race auf den Sprint zu lenken. Die Tatsache, dass immer erst das Classic Race und dann der Sprint an einem Austragungsort ausgerichtet werden, ist physiologisch nicht zu verstehen. Die Regenerationsphase nach einer Ausdauerbelastung zwischen 14 und 20 Minuten ist länger, als die nach einer Belastung von 120 Sekunden (oder 2x 120 Sekunden). Deswegen sollte im Interesse der Sportler immer der Sprint zuerst ausgetragen werden. Die körperliche Verfassung der Athleten ist natürlich sekundär. Der wichtige Punkt ist, dass immer der zweite Wettkampftag immer die bessere Wahl im Hinblick auf die Vermarktung ist. Warum? Nach dem ersten Wettkampf gibt es regionale Berichterstattung, was die Zuschauerzahl an der Strecke positiv beeinflusst. Der entscheidende Punkt ist aber, dass der Sprint dann auf einen Sonntag fällt (wenn Classic am Samstag) oder auf einen Samstag (wenn Classic am Freitag). Das ist eine bewusst herbeigeführte positive Auswahl des Termins für den Sprint. Diese positive Auswahl betrifft dann natürlich auch die Fernsehberichterstattung. Die Spannung des Finales gehört dann, in der Konsequenz die sich aus den gewählten Termine ergibt, dem Sprint. Berücksichtigt man diese den Sprint favorisierenden Faktoren, dann kommen wir zu dem Schluss dass ein Vergleich von verschiedenen Vorraussetzungen ausgeht. Wenn die Terminwahl wirklich rein zufällig sein sollte, dann lasst uns doch die nächste Saison einfach erst den Sprint und dann das Classic Race fahren.

Der Sprint soll laut Cerini für ein grosses Publikum einfacher auf anhieb zu durchschauen sein. Wieder eine Behauptung, der wiedersprochen werden muss. Der Sprintwettkampf ist schwerer zu durchschauen, weil der Sieger aus der Addition von zwei Läufen ermittelt wird. Leider hat der Sprint den Gesamtweltcup für ein Laien schwerer verständlich werden lassen. In der Berichterstattung muss der Modus des Weltcups, der aus zwei Arten von Wettkämpfen besteht und die Addition der beiden Läufe des Sprints, vermittelt werden. Nicht nur in der Kurzberichterstattung ein Desaster. Wer erfolgreich ein Produkt vermarkten will, sollte es so einfach wie möglich machen. Cirini möchte unsere Sportart fernsehgerechter gestalten. Dabei fällt bei ihm nicht der Begriff der Reichweite. Stattdessen führt er nur die Live Berichterstattung an. Der Aufwand für Live Berichterstattungen ist viel höher und teurer. Eine Liveberichterstattung in RAI am Sonntag um acht Uhr morgens hat eine lächerliche Reichweite (Beispiel Noce). Eine Kurzberichterstattung zu einer besseren Sendezeit in einer Sportsendung bringt eine viel grössere Reichweite. Dann entfällt auch das Problem, den grössten Teil der Sportler vom Finale auszuschliessen. Der organisatorische und zeitliche Aufwand des Sprints ist durch zwei Läufe höher. Das die Austragung eines Sprintrennen länger dauert, als ein Classic Race ist wohl auch Cerini bewusst. Dieser konzeptbedingte Nachteil des Sprints bei der Fernsehvermarktung führt dann auch zu seinem Vorschlag, die Regel zu ändern und nur die besten 30 Männer im K1 den zweiten Lauf fahren zu lasssen. Das führt zu einer zwei Klassengesellschaft in der Berichterstattung. Bei Cirinis angestrebter Professionalisierung unserer Sportart wird die Merheit der Atlehten nicht im Fernsehen zu sehen sein. Die Logos ihrer Sponsoren auch nicht und somit gibt es keinen Nachweis über die Reichweite ihrer sportlichen Aktivität. Auch stellt sich die Frage, wieviel Fremdbestimmtheit für unseren Sport gut ist. Eine Liveberichterstattung hat durch ihren hohen logistischen und finanziellen Aufwand keinerlei Flexibilität. Der Sendeplatz ist lange vorher bestimmt. Doch wir sind eine Natursportart. Was ist wenn ein kurzes starkes Gewitter die Durchführung des Wettkampfes zu dem vom Fernsehen bestimmten Termin zu einem Sicherheitsrisiko werden lässt? Dann wird es sehr schwer, die richtige Entscheidung zu treffen. Lassen wir eine Liveübertragung platzen, sind wir für diesen Sender gestorben. Wer sich um die Sicherheit sorgt, sollte das bedenken. Die Kurzberichterstattung ist flexibel und für den Zuschauer viel interssanter. Es lässt dem Regisseur beim Schneiden Möglichkeiten der Gestaltung, die Live nur mit einem extremen Anzahl von Kameras möglich ist.

Der Vorschlag, die finanziellen Kosten unserer Sportart durch ein Einheitsboot (Monotype) zu senken ist ein weiterer Vorschlag von Vittorio Cirini. Sein Artikel trägt die Überschrift: Die Entwicklung des Wildwasserrennsport. Im Zusammenhang mit dem Einheitsboot ein unpassender Titel. Den das Monotypekajak bringt die Entwicklung des Bootbaus zum Stillstand. Für jeden, der täglich in einem Wettkampfboot trainiert ist der Gedanke ein Alptraum, in einem wie von Cirini vorgeschlagenen PE Kajak zu paddeln. Ein 450cm langes Kajak wird deutlich über 20kg wiegen. Zudem ist ein PE-Boot weich. Das Boot regiert träge auf Steuerimpulse und beschleunigt schlechter. Geschwindigkeit des sogennnten Wettkampfbootes läg dann auf dem Niveau eines Tourenkajaks. Die Erfahrung mit dem Wavehopper zeigt deutlich, dass auch ein PE-Kajak Schaden im Wildwasser davonträgt. Breite Spitzen und Knicke hinter der Sitzlucke sind die zu beobachtenden Schäden. Dabei sei bemerkt, dass der Wavehopper von Perception nur 400cm lang ist und schon 20kg wiegt. Cerinis weiterer Vorschlag Plastikmaterialien wie Polypropylene zum Bau des Einheitsbootes zu nutzen, lässt uns dann nur noch über den Experten schmunzeln. Nun zum Kernproblem des Einheitsboots. Wir haben keinen Einheitsathleten. Unterschiede in Grösse liegen bis zu 50cm und im Gewicht von fast 50kg. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Mit den kürzern Sprintstrecken von 400 Metern soll der Versuch unternommen werden bei Olympischen Spielen den Slalomkanal zu nutzen. Das Einheitsboot soll uns helfen die erforderliche Anzahl der Nationen zu erreichen, um ins olympische Programm aufgenommen zu werden. Dafür gibt es aber keine Garantien. Genauso wenig wie für ein gesteigertes Medieninterresse. Das Zukunftszenario des Vittorio Cerini in der Canoing International ist folglich extrem spekulativ. Der Untertitel, "Der einzige Weg unsere Disziplin aufzuwerten ist strikt mit den Sprintrennen verbunden", ist extrem anmassend. Vittorio Cerini kann nicht in die Glaskugel schauen und die Zukunft vorraussagen. In seinem feudallem Führungsstil scheint kein Platz für eine andere Meinung zu sein. Die freie Meinungsäuserung hat Cerini den Gegnern des Sprint schon 1994 genommen. Cirini verkündete das No Sprint Aufkleber zur Disqulifikation führen. Das eine Nationalmannschaft schon seit Jahren Reklame für einen Zigarettenhersteller macht. Bei Siegerehrungen die Fahnen des Herstellers wehen und Hostessen Probepackungen verteilen, übersieht Vittorio Cirini konsequent. Den Aufkleber kann jeder auf Seite 42 der Canoing International 3/1999 auf Seite 42 sehen (Vorne links auf dem C 1).

Als Representant unserer Sportart macht Cirini einen unverzeihlichen Fehler. Er redet unsere Sportart schlecht. Wir haben eine wunderbare Sportart mit selbstbewussten Athleten, die sich diese Sportart aus freiwillig aussuchten. Wir sind eine Natursportart und da sollte jeder akzeptieren, dass unser Sport in der jetzigen Form nicht in das olympische Konzept passt. Unsere Sporart hat Wurzeln die bei Weltmeisterschaften bis 1959 zurückreichen. Wildwasser läuft Gefahr seinen Charkter zu verlieren. Paddeln wir für uns oder das Fernsehen? Das ist der Punkt. Wollen wir die einzige Mittellzeitausdauerdisziplin im Kanusport sein oder sind wir bereit für eventuel etwas mehr Geld und einer eventuellen Olympiateilname zu einer Fernsehware zu werden? Seine Visionen demontieren unseren Sport. Unsere Sporart wird sich in zwei Lager spalten. Diese Polarisation macht einen kleinen Sport noch kleiner. Zudem laufen wir Gefahr vom Slalom vereinnamt zu werden. Ein Sprint ist doch eine Bereicherung des Slaloms bei einer Olympiade! Ohne dabei die Athletenzahl zu erhöhen (zur Freude des IOC), weil Slalomfahrer dann die Disziplin Sprint ausüben. Ein Weltklasse Slalomfahrer lässt einem Pontarollo, Koelmann oder Wohlers bei einem 400 Meter Sprint im Slalomkanal keine Chance. Vittorio Cirini hat in seinem bemerkenswerten Artikel einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ihm fehlen die Eigenschaften die einen geistigen Führer in unserer Disziplin ausmachen.

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